Gastbeitrag: Bekämpfung des Islamismus - Zumutung für alle

Gastbeitrag von Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, und Benjamin Strasser, religionspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Obmann im Untersuchungsausschuss Breitscheidplatz, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 05.11.20

 

In den vergangenen Tagen und Wochen hat eine Reihe islamistischer Anschläge Europa erschüttert. Diese Taten bedrohen Freiheit und Demokratie. Bei der Verhinderung islamistischer Gewalt brauchen die Sicherheitsbehörden Rückhalt und Unterstützung aus Politik und Gesellschaft. Meint man es mit der Bekämpfung des Islamismus jedoch ernst, müssen bestimmte politische und gesellschaftliche Gruppen schmerzhafte Prozesse der Selbstreflexion durchlaufen. Die Bekämpfung des Islamismus muss zur allseitigen Zumutung werden.

Sie muss eine Zumutung für eine politische Linke sein, die bisher zu oft die Augen vor der Unvereinbarkeit des politischen Islam mit dem Grundgesetz verschließt. So hieß es etwa in der Tageszeitung "taz", Emmanuel Macron bausche den islamistischen Mord an dem Lehrer Samuel Paty zu einer Grundsatzfrage auf, was dem türkischen Präsidenten Erdogan gerade recht komme. Dieser Kommentar verkehrt Ursache und Wirkung. Nicht der französische, sondern der türkische Präsident treibt einen Keil zwischen Muslime und Nichtmuslime, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Die Bundesregierung sollte bei der Verteidigung von Meinungs- und Pressefreiheit fest an der Seite Macrons stehen. Auch bei der konsequenten Anwendung des Ausländerrechts hat die politische Linke Nachholbedarf. Robert Habeck kann noch so oft die Abschiebung islamistischer Gefährder fordern. Wenn die Grünen weiterhin die Einstufung Marokkos, Algeriens und Tunesiens als sichere Herkunftsstaaten blockieren, passen Reden und Handeln nicht zusammen.

Die Bekämpfung des Islamismus muss aber auch eine Zumutung für eine politische Rechte sein, die immer noch keinen Frieden mit dem Gedanken geschlossen hat, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Es wird hierzulande in den kommenden Jahren und Jahrzehnten mehr sichtbares muslimisches Leben geben. Ohne die Teilhabe muslimischer Staatsbürger in zentralen Lebensbereichen lässt sich keine vernünftige Prävention organisieren. Unser Land braucht mehr in Deutschland ausgebildete muslimische Religionslehrer und Imame statt aus dem Ausland gesteuerte Geistliche. In Justiz und Sicherheitsbehörden müssen mehr Menschen muslimischen Glaubens tätig sein. Und CDU und CSU sollten endlich ihre Blockadehaltung bei der Schaffung eines echten Einwanderungsgesetzes aufgeben. Ein echtes Einwanderungsland bringt seine Wertschätzung gegenüber den Menschen zum Ausdruck, die unsere Gesellschaft durch ihren Zuzug bereichern. Dazu gehört auch, bei den Menschen, die seit 2015 als anerkannte Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, die Fehler aus dem Umgang mit den so genannten Gastarbeitern der alten Bundesrepublik nicht zu wiederholen. Ein großer Teil dieser Menschen ist nicht "zu Gast", sondern wird in Deutschland bleiben. Ihre Integration ist Teil einer funktionierenden Islamismus-Prävention.

Die Bekämpfung des Islamismus muss zudem eine Zumutung für die große Mehrheit der friedliebenden Muslime sein. Viele von ihnen reagieren auf die im Namen ihrer Religion begangenen Gewalttaten mit Empörung. Oftmals richtet sich diese aber bloß gegen die Bezeichnung "islamistischer Terrorismus" und offenbart wenig Bereitschaft, sich an der Verhinderung von Radikalisierung zu beteiligen. Ein wirksamer Kampf gegen den Islamismus braucht aber robuste muslimische Frühwarnsysteme und erfolgreiche muslimische Vorbilder. Und er braucht innerislamische Debatten. Es gibt spezifische Herausforderungen muslimisch geprägter Milieus bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie bei der Bekämpfung von Antisemitismus und Homophobie. Diese Probleme anzusprechen ist kein Akt der Islamophobie, sondern die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben unter der Werteordnung des Grundgesetzes.

Die Bekämpfung des Islamismus muss schließlich auch eine Zumutung für Liberale sein, die das Thema strikt vom Individuum her denken. Die soziale Segregation zwischen der einheimischen Gesellschaft und den von Migration geprägten muslimischen Milieus ist in Frankreich weit fortgeschritten. In den anonymen Siedlungen weitab der Stadtzentren haben Islamisten leichtes Spiel. Auch hierzulande schotten sich bestimmte Stadtteile kulturell und sozial voneinander ab. Das Instrument der Stadtplanung darf bei der Verhinderung von Radikalisierung und Gewalt nicht unterschätzt werden. Bei der Schaffung von neuem Wohnraum sollte daher auf eine angemessene Durchmischung der Milieus sowie auf eine Anbindung an die Zentren geachtet werden.

 

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Eine
Bekämpfung von Radikalisierung und Gewalt ist möglich. Dabei sollten wir aber auch bisherige Strategien hinterfragen und neue Ansätze ausprobieren. Dies mag manchen als Zumutung erscheinen. Langfristig kann es die Gefahr des Islamismus eindämmen.

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